Zum Schuljahr 1990/91 im geschichtsträchtigen Jahr der deutschen Einheit gegründet, feiert die Max-von-der-Grün-Abendrealschule im Jahr 2015 ihr 25-jähriges Bestehen oder nach Johannes 8,57 ihren ‚halben Abraham-Geburtstag‘.

Bildungspolitisch steht die Schule in der Tradition der von Georg Picht Mitte der 60er Jahre erhobenen Forderung nach ‚Hebung und Aktivierung der Bildungsreserven‘ in Deutschland.

Die strukturellen Veränderungen in der Stadt Dortmund mit der Schließung der letzten Zechenanlagen und Stahlwerke in den 70er und 80er Jahren hatten zur Folge, dass der Wegfall von Arbeitsplätzen im Primär- und Sekundärsektor auch das Bereithalten schulischer Weiterbildung mit Blick auf Nach- bzw. Höherqualifizierung dringend notwendig machte.

 

Schulleiter Falko Grunau anlässlich des Schuljubiläums

Sehr geehrter Herr Daub,
sehr geehrter Herr Bezirksbürgermeister Fuß,
meine sehr geehrten Damen und Herren der Bezirksvertretung Innenstadt-West,
sehr geehrter Herr Dr. Oelmann,
liebe Kolleginnen und Kollegen der Bildungskooperative Dortmund,
liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Ring der Weiterbildungskollegs,
liebe Kolleginnen und Kollegen der Abendrealschule Dortmund,
liebe Studierende,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Festgäste!

Im Namen der ganzen Schulgemeinde heiße ich Sie alle herzlich willkommen! Wir feiern heute gemeinsam die Gründung der Abendrealschule Dortmund vor 25 Jahren, ein Silberjubiläum. Unser besonderer Dank gilt an diesem Tag Herrn Dr. Gernot Oelmann, der als schulfachlicher Dezernent der Bezirksregierung Arnsberg die Initiative zur Gründung dieser eigenständigen Schule hier in Dortmund ergriffen hat. Der Zweite Bildungsweg im Land hat Ihnen, sehr geehrter Herr Dr. Oelmann, sehr viel zu verdanken. Mein großer Dank gilt auch Sabine Bories, Silvia Spieß und Paul Malitzki, die das ARS-Schiff auch in schwerer See auf Kurs gehalten haben.

Gemessen an den anderen Abendrealschulen im Land ist diese Schule noch ein Youngster und ein Unikat im Regierungsbezirk. Im § 4a des alten Schulverwaltungsgesetzes wurden die Schulen des Zweiten Bildungsweges als „besondere Einrichtungen des Bildungsweges“ bezeichnet. Und das ist unsere Schule bis heute in der Tat. Wenn andere Schüler spätestens am Nachmittag aus der Schule ‚rauslaufen, dann müssen unsere Studierenden am frühen Nachmittag bzw. in den frühen Abendstunden zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen erst zur großen Form auflaufen.

Die Eule als unser Wappentier steht in der griechischen Antike als Symbol für Weisheit. Für die Menschen in unserer Abendrealschule gewinnt das Wort „Nachteule“ eine für jeden tatsächlich ganz spürbare nachtaktive Bedeutung. Aber wenn es unsere Abendrealschule nicht seit 1990 gäbe, so müsste sie glatt sehr schnell gegründet werden.

Rückblickend hat sie sich im Wandel von Bildungsgeschichte und Gesellschaft immer wieder sehr flexibel neuen Herausforderungen stellen müssen. Für den Standort Dortmund bedeutete dies vor 25 Jahren : flankierende schulische Weiterbildungsbegleitung eines umfassenden strukturellen Wandels. Dortmund war nicht länger eine Stadt von Kohle und Stahl. Diese wischte sich den Ruß aus dem Gesicht und musste neue Wege zur Erhaltung und Neuansiedlung von Arbeitsplätzen gehen.  Bis heute müht sich Dortmund nach Kräften, das beschwerende Grundproblem einer viel zu hohen Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. „Zu viele Dortmunder sind ohne Schulabschluss. Das müssen wir ändern und weiter verstärkt in Bildung investieren“, so Oberbürgermeister Ullrich Sierau in den aktuellen Haushaltsberatungen. Wenn wir ein Grundthema für unsere Schule und natürlich darüber hinaus formulieren sollten, so müsste es im Sinne einer Daueraufgabe lauten: „Hebung und Aktivierung von Bildungsreserven sowie Bereitstellung schulischer Weiterbildung zur Nach- bzw. Höherqualifizierung – also gleichsam ein immer fortdauerndes ‚Headstart-Programm“.

Mit Stolz können wir feststellen, dass bis heute – bei gegenwärtig ca. 250 Abschlüssen pro Jahr – tausende nachträgliche Schulabschlüsse erreicht werden konnten. Unsere Abendrealschule ist in einer sehr dynamischen Gesellschaft keine statische Einrichtung. Gewiss gibt es das Schulgesetz, Erlasse, Verordnungen, Verfügungen, die dem Schulalltag Kurs geben, Stabilität und Rechtssicherheit verleihen. Seit Mitte der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts haben wir es mit einem Paradigmenwechsel zu tun, da vermehrt nicht mehr schulpflichtige junge Menschen mit einer gebrochenen „Patchwork-Bildungsbiographie“ die Abendrealschule als gleichsam letzten Rettungsanker aufsuchten. Hinzu kamen viele Migranten aus Osteuropa, die nach sprachlicher und nach gesellschaftlicher Integration suchten. Beim Unterricht in den DaF-Kursen erreichten die dort eingesetzten Kolleginnen und Kollegen, auch und insbesondere im Vergleich zu vielen Privatanbietern, eine bis heute vielfach beachtete hohe Professionalität. Gerade eine Niederschwelligkeit  des schulischen Weiterbildungsangebots ist für Flüchtlinge, für Menschen mit abgebrochenen Bildungsbiographien, mit einer Förderschul-Vergangenheit, z. T. aus schwierigen sozialen Zusammenhängen, eine Hoffnung auf Realisierbarkeit von sozialer Teilhabe und Bildungsgerechtigkeit als Menschenrecht.

Denn wir wissen bei gerade noch jungen Menschen: Eine Lebensphase gelingt, die andere noch nicht. Deshalb heißt es für Lehrende an der Abendrealschule : ermutigen, pädagogisch begleiten, bestätigen und immer wieder für eine schulische Weiterbildung als Voraussetzung für dann gelingende Lebenswege und Berufsabschlüsse werben. 70 Prozent Migrantenanteil und über 50 Herkunftssprachen stellen dabei eine besondere Herausforderung dar. Die Ausstellung „Das Unionviertel spricht viele Sprachen“ ist ein beredtes Zeugnis für unsere Schulwirklichkeit im Stadtteil Innenstadt-West. Gerade bei der Migrantenförderung gibt es viele sehr emotionale Erfolgsgeschichten, u. a. diejenige des jungen Mannes, der aus Bangladesh als Vollwaise, auf der Straße lebend und schließlich als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling zu uns kam, in 2 1/2 Jahren 3 Schulabschlüsse schaffte, freiwillig bei der Bahnhofsmission arbeitete, jetzt eine Ausbildung  bei der Deutschen Bahn absolviert und anschließend zum Abendgymnasium will.

Pädagogische Arbeit an unserer Abendrealschule ist ganz im Sinne der Reformpädagogik und insbesondere im Zeichen großer Heterogenität in den Klassen immer als Arbeit von dem je einzelnen Studierenden ausgehend zu sehen. Die pädagogischen Herausforderungen an unserer Schule sind hoch und sie verlangen allen Lehrenden eine große pädagogische, didaktisch-methodische Flexibilität ab gerade auch im Hinblick auf neuere Entwicklungen wie: „Kernlehrpläne“, „Bildungsstandards“, „Kompetenzziele“, „Zentrale Abschlussprüfungen“, „mündliche Prüfungen im Fach Englisch“.

Dies alles zusammenzubringen und zu bewältigen, dazu bedarf es einer hohen beruflichen Motivation und Identifikation mit  dieser  Schule. Dieser besonderen Berufungs-Aufgabe stellen Sie sich jeden Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich danke Ihnen ganz ausdrücklich und sehr herzlich dafür und schließe auch die uns besonders verbundenen ehemaligen Lehrkräfte mit ein.

Abendrealschulen unterscheiden sich – eigentlich leicht einzusehen – von Tagesschulen in vielerlei Hinsicht. Dennoch leisten sie, angesichts der Kürze der Zeit und mit Blick auf die Studierenden, Gleichwertiges und Vergleichbares, das sich jederzeit in Leistungsbilanzen sehen lassen kann.

Nach Amos Comenius seien Schulen „keine Tretmühlen, sondern heitere Tummelplätze des Geistes“. Für uns ist wichtig, dass wir unsere Schule öffnen und uns neben dem Unterricht mit Themen der Zeit beschäftigen. Unsere Themen- und Gästeliste, u. a. mit Expertenbefragungen bei den Dortmunder Abendgesprächen ist lang. Als Beispiele nenne ich : „Interkulturelle und interreligiöse Erziehung, Vorstellung von Berufsbildern, soziale Fragen, Innere Sicherheit, Jugendkriminalität, Sicherheitspolitik, Geschichte des Ruhrgebietes, Medienerziehung“. Hinzu kommen Fahrten in den Landtag, Berlin- und Englandfahrten und Projektarbeiten. Wir konkretisieren damit unser Schulprogramm und dokumentieren all dies in unserem „ARS-Adler-Journal“.

Kollegium der ARS DO in Tirana

Das Kollegium der Abendrealschule Dortmund auf seinem Besuch in Tirana

Zur unmittelbaren Anschauung machen wir als Kollegium übrigens auch gerne mal Ortstermine. So in der 1. Herbstferienwoche unter  Leitung unseres Schulsozialpädagogen Herrn Driton Gashi in den Kosovo und nach Albanien mit vielen persönlichen Begegnungen und Gesprächen in Schulen und Ministerien, u. a. auch im Weiterbildungskolleg Tirana. Danke, Herr Gashi für diese so exzellent geplante und durchgeführte Dienstreise. Sie wirkt noch lange nach.

„Wir sind – wenn man das Werk unseres Namensgebers betrachtet – eine „Max-von-der-Grün-Schule“. In einem der vielen Herzen von Dortmund, im Brennpunkt sozialer Problematiken, im offenen und ehrlichen Engagement“, so Michael Maaß in der Festschrift  zur Namensgebung. Dabei ist das ermutigende Wort unseres Namensgebers, des Bergmannes und Schriftstellers der Arbeitswelt Max von der Grün gerade für unsere Studierenden mit Blick auf die schulische Veränderung der eigenen Lebenssituation Auftrag und Verpflichtung zugleich : „Nichts als gegeben hinnehmen ! Du musst dich wehren, weil man es schaffen kann“.

In diesem Sinne wünsche ich unserer Abendrealschule anlässlich des heutigen 25-jährigen Schuljubiäums bei der weiteren Erschließung von Bildungsreserven, bei der Hebung von Bildungsschätzen und allen hier Ein- und Ausgehenden mindestens für die nächsten 25 Jahre ein herzliches Glück auf!